Projekt
Der Bau ist eine audiovisuelle Installation, die als Abschlussprojekt im Masterstudiengang
Zeitabhängige Medien/Sound-Vision und in Zusammenarbeit mit Studierenden aus dem Studiengang Kommunikationsdesign im Wintersemester 2012/13 an der HAW Hamburg entstanden
ist.
Ausgehend von der gleichnamigen Erzählung von Franz Kafka verbindet die Instalation Typografie,
Animation und Sounddesign und lässt mithilfe von 360°-Projektionen und 3D-Audiotechnologie
einen begehbaren, medialen Raum entstehen. Die Animation wird mit vier Beamern
auf eine Panorama-Leinwand projiziert, während 16 Lautsprecher ein Schallfeld im Inneren
des Panoramas erzeugen. Die optimale Betrachterposition liegt im Zentrum des kreisrunden
Aufbaus und vermittelt das Gefühl, ein Teil der Installation zu sein. Die starke visuelle und
auditive Umhüllung fordert eine erhöhte Aufmerksamkeit und lädt zu einer sehr persönlichen
Auseinan- dersetzung mit der düsteren literarischen Vorlage ein. Die Animation greift auf
Worte und Textpassagen des Originaltextes zurück, zerstückelt sie, lässt sie Strukturen bilden
und wieder auflösen. Auf der Suche nach der Sinnhaftigkeit der dargestellten Schriftzeichen
wird ein einzelnes Wort plötzlich in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt, während sich die
zugrunde liegende Soundscape zwischen ruhigen Atmosphären und bedrohlichen Klangkulissen
bewegt und so die Geborgenheit im Bau der feindseligen Außenwelt des Waldes gegenüberstellt.
Die abstrakten Klanglandschaften lassen erzählte Orte nur erahnen und liefern, in
Wechselwirkung mit der Animation, ein Stimmungsbild der Kafka’schen Erzählung aus dem
Jahr 1924.
Installation
Die Aufgabe innerhalb des Kurses bestand darin, einen Text mit den Mitteln der Animation zu
gestalten und so die Interaktion von Worten und Schriftzeichen zu untersuchen. Dabei ging
es nicht um die inhaltliche Wiedergabe der Vorlage, sondern vielmehr um eine Neugestaltung,
die ein Stimmungsbild einfangen soll, das dem Text im weiteren Sinne entspricht, beziehungsweise
eine Neuinterpretation zulässt. Der gleiche Ansatz wurde zuvor mit Der Bau verfolgt,
mit dem Unterschied, dass auf Klänge für die Gestaltung zurückgegriffen wurde. Daraufhin
entschloss man sich zu einer Zusammenarbeit und arbeitete ein Konzept aus, das beide
Gestaltungsformen zu einer audiovisuellen Installation verbindet.
Für die Darstellung der Animation war es erforderlich, den Bildraum weitgehend an den
Klangraum anzupassen. Das heißt, die auditive Umhüllung sollte auch visuell hergestellt
werden. Als Inspiration diente die Panorama-Installation Kyosei (Coexis- tence) der Berliner
Künstlerin Lea Nagano. Eine auf einer 360°-Leinwand projizierte Animation thematisiert die
Erdbeben-Katastrophe in Japan im Jahr 2011 und versetzt den Zuschauer durch die visuelle
Umhüllung an den Ort des Geschehens. Dabei entwickelt die Animation eine filmische Erzählweise,
die durch das intensive Raumerleben sehr wirkungsvoll unterstützt wird. Im Vergleich
zur Kino-Leinwand erweitern Panoramen den Bildraum, sodass der linke und der rechte
Bildrand verschwindet und der Zuschauer in eine künstliche, visuelle Umgebung eintaucht.
Dieser Effekt wird als Immersion bezeichnet und findet Anwendung in Der Bau. Somit wird der
Betrachter in die Lage des Protagonisten versetzt, wobei die technische Darstellungsweise
als eine Metapher für das Innere des Baus verstanden werden soll.
KLANG
Die Installation basiert auf einer Klangcollage, die im Juli 2012 aus mehreren Klangstudien zu der Erzählung
entstand. Dafür wurden Klangröhren, ein Aquaphone, verschiedene Gongs, sowie ein selbstgebautes
Saiteninstrument experimentell bespielt und aufgenommen. Die entstandenen Aufnahmen
wurden im Sinne der musique concrète geschnitten, verfremdet und neu arrangiert. Frei nach der
Erzählung, in der sich der Protagonist in einem Dilemma zwischen Vorsicht und Sicherheit befindet,
lässt sich diese angenehm klingende Soundscape als innerer Schutzraum und als der Bau selbst interpretieren.
Den Kontrast bilden synthetisch erzeugte Klänge, die durch circuit bending und unkonventionelle
Handhabung von anologen Synthesizern entstanden sind und sich der Erzählung folgend als
der ominöse und unsichtbare Feind des Protagonisten verstehen. Für die Wiedergabe kommt ein noch in der Entwicklung befindliches 3D-Audiosystem der Firma Technicolor zum Einsatz, das mithilfe des Ambisonics-Verfahrens und einer Anordnung aus 16 Lautsprechern Schallfelder virtuell erzeugen kann.
Daraus ergeben sich neue Darstellungsmöglichkeiten bei der Tonwiedergabe, wie die komplette Umhüllung und ein freies Platzieren von Schallquellen im Raum, die nach passenden Inhalten verlangen und sich in „Der Bau“ gefunden haben.
Der Bau als Gruppe
Der Bau ist über die Zeit zu einer festen Gruppe herangewachsen die aus den unterschiedlichen
Departments und den Mitwirkenden besteht. Den Kern bilden Stefan Troschka (Department
Medientechnik/Soundvision), Janina Lu (Department Design/Kommunikationsdesign),
Niklas Söder (Department Design/Kommunikationsdesign) und Efrén Parra (Department
Design/Kommunikationsdesign und Student an der ESDi Barcelona University). Durch
die technischen Fragen und Schwierigkeiten die diese Installation mit sich brachte, betreute
Iwer Petersen (Department Informatik/Angewandte Informatik) und Janina Schlichte (Department
Design/Textildesign) der Gruppe HAWiLux. Besonders Iwer Petersen wurde durch sein
Wissen über das Programm VVVV und somit der wesentlichen Programmierung der 360°
Projektion ein wichtiger Teil des Projekts. Als technischen Support konnte die Gruppe auf
Axel Groot zurückgreifen, ein Lichtkünstler aus Hamburg bekannt durch sein Lichterfestival
im Docks sowie seinen Projektionsmapping auf dem Fusion-Festival. Dieser unterstützte auf
freiwilliger Basis die Gruppe mit technischen Geräten. Durch die vielen Mitwirkenden und
der Zusammenschluss von Personen aus den unterschiedlichen Bereichen versteht sich die
Gruppe als „Bau“. Ein Gebilde welches aus verschiedenen Teilen besteht und im Ganzen
wirkt und über Kafka´s Erzählung hinaus gewachsen ist. Der Bau funktioniert als Gruppe, als
Zusammenschluss und ist ebenso ein Aufeinandertreffen verschiedenster Charaktere. Und
gerade diese unterschiedlichen Charaktere machen das Projekt zu einem interessanten und
spannenden Zusammenschluss, wo Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und Zusammenhalt
auf die Probe gestellt werden. Hierbei spielt das Einfühlungsvermögen sowie die
Akzeptanz der Unterschiedlichkeit eine tragende Rolle, die Mitglieder verstehen sich als
eigenständige Charaktere mit ihren Stärken und Schwächen die als Gruppe funktionieren.
Kein Mitglied vom Bau ist austauschbar, aber die Gruppe erweiterbar.
DESIGNER
Janina Lu (BA)
Stefan Troschka (MA)
Niklas Söder (BA)
Efrén Parra (BA)
TECHNIK
Iwer Petersen
Janina Schlichte
Axel Groot
Indra Schreiber
Hanjo Müller
BETREUUNG
Prof. Almut Schneider
Prof. Heike Grebin
Prof. Thomas Görne
Asmus Tietchens